LEOlytics.anesthesia
Im Interview mit Univ.-Prof. Dr. med. Dr. phil. Kai Zacharowski

Ihre Klinik ist ja der erste Kunde von LEOlytics.anesthesia bzw. Sandman.MD, wie das Produkt damals hieß. Sie haben selbst mit Ihrer eigenen Mannschaft über ein Jahr mit dem Entwicklungsteam zusammengearbeitet, um das Produkt auch für große Kliniken nutzbar zu machen. Das war ja schon ein Risiko. Was hat Ihnen das Vertrauen gegeben, diesen Weg zu gehen?
Zwei Gründe möchte ich anführen, die mir das Vertrauen gegeben haben, diesen Weg zu gehen:
Zunächst bin ich von Beginn an absolut von diesem Produkt überzeugt gewesen: eine auf Apple-Basis hochverlässliche und tragbare Software-/Computerlösung einzusetzen, im Gegensatz zu einer statischen Lösung, die im OP aufwendig befestigt werden muss!
In der ursprünglichen Anforderung sollte für den Anästhesiologen eine tragbare und mobile Methode gefunden werden. Diese Art zu arbeiten, hat einen großen praktischen Vorteil: In der heutigen Zeit sind OPs und Anästhesieeinleitungen überfrachtet mit Geräten und Monitoren. Noch mehr Geräteplatz für die Anästhesiedokumentation zu schaffen, sorgt schnell zu einer weiteren räumlichen Einschränkung.
Neben diesem Grund spielt auch der Umweltgedanke eine tragende Rolle. Je mehr elektronische Geräte für die Anästhesiedokumentation benötigt werden, desto mehr werden Rohstoffe und Energie für deren Herstellung und Betrieb notwendig. Nicht zuletzt sei auch die Anfälligkeit für Defekte bei statisch positionierten Geräten genannt.
LEOlytics ist aufgrund der iPads sehr gut zu transportieren, braucht wenig Platz und ist hygienisch in der Anwendung. Der Anästhesiologe begleitet den Patienten mit LEOlytics stets im Schlepptau.
Im Vergleich zu Hardwarelösungen können mit LEOlytics.anesthesia Kosten reduziert und eine hohe Vertrautheit des Anästhesiologen mit dieser exzellenten Software erreicht werden.
Und hat sich das Vertrauen ausbezahlt?
In der Tat war es ein Risiko, mit einem unbekannten Start-up-Unternehmen aus Berlin diesen Weg zu gehen. Anfangs verschaffte ich mir einen Marktüberblick und studierte verschiedene Anbieterunternehmen.
In Folge entschied ich mich für die Entwicklung mit dem Berliner Start-up und gemeinsam formulierten Anforderungen, Know-how und Zielen. LEOlytics.anesthesia entstand, verbunden mit einer sehr guten Dokumentation und einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis.
LEOlytics ist für uns von großem Vorteil bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden. Gerade junge Mitarbeitende sind begeistert von dieser Software. LEOlytics ist intuitiv und fast schon selbsterklärend. Mithilfe der Kamerafunktion können Patientenetiketten eingescannt, anatomische Gegebenheiten abfotografiert und in der Software festgehalten werden.
Wo wir schon beim Thema bezahlen sind, hat sich LEOlytics.anesthesia auch finanziell bezahlt gemacht? Wirkt sich die Nutzung auch finanziell positiv aus?
Ja, die Anwendung LEOlytics.anesthesia wirkt sich finanziell positiv aus. Bis vor Kurzem haben über 90 % aller Kliniken für Anästhesiologie weltweit die Dokumentation auf Papier mit Durchschlag umgesetzt. Das kostet Geld. Dabei sind die Qualität und Lesbarkeit stark individuell abhängig vom jeweiligen Autor. Manche Protokolle sind schier unlesbar, mit diesem Umstand bin ich häufig als medizinischer Gutachter bei Gerichtsprozessen konfrontiert.
Mitunter verschwindet auch eine Dokumentation auf Papier im Krankenhaus auf unerklärliche Weise und steht nicht mehr zur Verfügung. Das kann abrechnungstechnische und gerichtliche Folgen haben. Mal davon abgesehen, dass wichtige Informationen über den Patienten nicht mehr vorhanden sind.
Durch die elektronische Dokumentation in LEOlytics.anesthesia haben wir überall im Universitätsklinikum Zugriff auf dokumentierte Anästhesien. Man kann diese auch nutzen, um erneute, anstehende Operationen besser vorzubereiten, das bedeutet Erhöhung der Patientensicherheit. Daten werden unendlich lange aufgehoben.
Das Ganze haben wir auf Basis von LEOlytics mit ENVISION (www.envision-icu.eu) umgesetzt, wo wir mit Künstlicher Intelligenz die erhobenen Daten weiterhin analysieren und in Zukunft auch in Projektionsmodelle einbauen. Das bedeutet, dass z. B. von einem Patienten während der OP alle Vitalwerte kontinuierlich analysiert werden und mit ähnlichen, schon einmal stattgefundenen Fällen verglichen werden. Die Idee hierbei ist, Vorhersagen zu treffen. Ob einem Patienten in den nächsten fünf Minuten übel wird beispielsweise oder ob man Vorkehrungen treffen kann etc. Das ist noch Zukunftsmusik, aber nur zum Teil und nicht mehr so weit.
Sie haben mittlerweile über sechs Jahre Erfahrung im Einsatz mit LEOlytics.anesthesia. In einer Universitätsklinik, in der es ja immer wieder neue Herausforderungen gibt. Zum Beispiel das häufig wechselnde Personal. Wie steht es da mit der Einweisung neuer Mitarbeitenden in die Anwendung? Bedeutet das viel Aufwand für jeden neuen Anwendenden? Wie häufig müssen Sie Nachschulungen machen?
Der Aufwand ist überschaubar, denn vieles an der Anwendung ist selbsterklärend. Fast jeder junge Mensch hat ein Tablet und ist mit der Wisch- und der Kamera-Funktion vertraut. Es sind nur wenige Dinge, die geschult werden müssen. Die neuen jungen Mitarbeitenden, die bei uns starten, sind nie allein am Patienten. Damit kann LEOlytics.anesthesia „on the go“ am Patienten erklärt werden.
Was möchten Sie noch zu LEOlytics.anesthesia sagen? Was ist Ihnen wichtig? Welche Ziele verfolgen Sie mit LEOlytics?
Mit LEOlytics.anesthesia bekommt man eine umfassende Dokumentation der anästhesiologischen Leistungen. Dies ist insbesondere in der heutigen Zeit für rechtliche als auch abrechnungstechnische Fragestellungen wichtig. Man kann sich auf Einzeldatenebene Fälle auch nochmal retrospektiv anschauen und auswerten. Durch die Funktion, dass Fotos integriert werden können, wird diese wichtige Funktion noch weiter unterstützt. Die kabellose Verbindung mit Beatmungsgeräten oder Monitoren macht das Arbeiten extrem einfach.
Perspektivisch werden wir die Millionen von Daten, die wir erfasst haben, wissenschaftlich auswerten. Ziel ist, ein Netzwerk mit deutschen Kliniken aufzubauen, die ebenfalls LEOlytics nutzen, Medikamentenwirkung besser zu verstehen, Projektionsszenarien zu entwickeln etc. Daraus können junge Menschen an Habilitation und Promotion herangeführt werden.
Herr Prof. Zacharowski, haben Sie herzlichen Dank für das Interview.
