Helfen ist Familientradition: Medizintechnische Hilfe in Eritrea.

Medizingerätetechniker mit Hingabe im Einsatz für andere.

Joos Krüger ist Mitarbeiter von Löwenstein und sein Herz schlägt für den persönliche Einsatz in Eritrea/Afrika. Unter dem Dach der Hilfsorganisation ARCHEMED1 – koordiniert Joos seit 2022 Projekte. Zu seinen Aufgaben gehören die Durchführung von Schulungen, das Einführen neuer Geräte und Gerätewartungen. Neben der Inbetriebnahme von Kleingeräten (Neonatologie, Anästhesie und Beatmung) gehört auch die Schulung des Umgangs mit Trouble-Shooting bei Geräten zu seinen Aufgaben. Joos schult vor Ort, wie man Geräte instand setzt, damit Techniker vor Ort im Land das auch können. Löwenstein Medical unterstützt Joos und seinen Einsatz in vielfacher Form. 

Zum Zeitpunkt des Interviews im Februar 2025 ist Joos gerade in Vorbereitung für seine nächste Reise nach Eritrea. Es ist sein achter Einsatz dort. Diesmal ist das Ziel ein Mutter-Kind-Klinikum in Keren. In diesem Klinikum stehen auch Wärmebettchen von Löwenstein sowie der Anästhesieassistent „Leon“. Joos reist zusammen mit einem plastischen Chirurgenteam aus München. Joos arbeitet mit dem Team vor Ort und weist es ein.

Im Interview mit Joos Krüger.

Joos, stell dich vor.

Ich bin 25 Jahre alt und komme von der niederländischen Grenze. Ich wohne und arbeite seit sechs Jahren bei Löwenstein Medical in Bremen. Mein Tätigkeitsfeld ist Technik, Applikation und – ab 2026 – auch Vertrieb. Ich arbeite im Außendienst von Bremen bis hoch nach Rendsburg in Norddeutschland. Löwenstein ist meine erste berufliche Station nach meiner Ausbildung. Ich bin Medizingerätetechniker. Ich konnte das gut abschließen und danach als Medizintechniker starten. Parallel zu meinem Job bin ich mit einem berufsbegleitenden Fernstudium in Wirtschaftsingenieurwesen gestartet. Ich komme aus der Technik und die Technik bleibt mir erhalten durch meine technikfokussierte Tätigkeit bei ARCHEMED.

Was ist ARCHEMED und wie bist du dazu gekommen?

ARCHEMED ist eine gemeinnützige Organisation. Ich bin durch meinen Vater dazu gekommen, der auch Medizintechniker ist und mit ARCHEMED zusammengearbeitet hat in Bezug auf Gerätespenden. Vor meinem Einsatz war ein Kollege von mir – Jörg Nordhoff – für das Projekt Mutter-Kind-Klinik in Keren vor Ort. Ich habe sein Projekt übernommen und es sind noch mehr Projekte dazugekommen. Mein Einsatz findet nicht nur in Eritrea statt. So war ich letztes Jahr auch in Shkodra in Albanien mit einer Kinderärztin auf einer Sondierungsreise, um bei einer Neostation wahrzunehmen, wie man weiterhelfen und in Zukunft technisch unterstützen kann.

Was hat dich dazu bewegt, nach Eritrea zu gehen? Was treibt dich an?

Eritrea ist ein fernes Land und eine Reise dorthin für mich war eine Möglichkeit, sich zum ersten Mal außerhalb von Europa zu bewegen. Das hat mich angetrieben zu Beginn. Man sieht die Wohlstandsgesellschaft in Deutschland und nach neun Stunden kommt man in diese andere Welt. Ich möchte an dem Ort, wo es hinpasst, mit dem helfen, was ich beruflich machen kann. Ich möchte mich nützlich machen. Am Ende ist es egoistisch. Ich tue das für mich. In Eritrea gibt es andere Herausforderungen, wenn ich ein medizintechnisches Gerät reparieren möchte, im Vergleich zu uns. Das größte Problem bei den Geräten ist die mangelnde Hygiene vor Ort, woran die Geräte kaputt gehen. Zu der Schulung vor Ort: In Eritrea kann man sich nicht freiwillig den Beruf aussuchen. Man wird zugeteilt. Studieren ist ein absolutes Privileg. Dieser Sachverhalt bringt Motivationsprobleme mit sich. Auch die Pünktlichkeit ist ein Problem. Da wird es auch mal 16:00 Uhr, obwohl 14:00 Uhr ausgemacht war. Die Frustration ist bei manchen Mitarbeitenden groß und es ist viel Geduld notwendig. Dort gibt es eine vollkommen andere Mentalität. Wir versuchen ja, eine Struktur darein zu bringen. Ich nehme das mit Humor.

Wie steht deine Familie dazu, dass du als Medizintechniker in Eritrea arbeitest?

Meine Familie hat Angst um mich, besonders, wenn ich ein oder zwei Wochen nicht erreichbar bin. Ich habe drei Schwestern und einen Bruder, allesamt Medizintechniker. Um die Angst zu mildern, habe ich das Verhältnis der Sorgenden einfach umgedreht: Ich habe meine „kleine“ (ältere) Schwester mit nach Eritrea genommen, die von Eritrea und der Tätigkeit begeistert ist. Im Februar nehme ich meine älteste Schwester mit und zeige ihr, wie das vor Ort ist. Eritrea ist nicht der sicherste Ort. Es ist eine Diktatur und wird auch das „Nordkorea“ von Afrika genannt. Es gibt kein Mobilfunknetz. SIM-Karten werden von der Regierung ausgegeben. Unser Projektleiter hat eine SIM-Karte. Ich sehe es als „erfrischend“ an, mal nicht auf Social Media erreichbar zu sein.

Was machst du abends in deiner Freizeit?

Wir sitzen zusammen, planen und gestalten den nächsten Tag und schauen uns Sachen an. Es gibt oft Einladungen. Die Menschen vor Ort sind sehr gastfreundlich. Wir haben gute Beziehungen zur deutschen Botschaft vor Ort und reden mit der deutschen Ländervertretung über Politik im Land. Ich spreche mit den anderen Personen aus den Teams, darunter Chirurgen und Ärzte. Ich arbeite Projekt-übergreifend. Ich kümmere mich um die Medizintechnik bei allen Projekten. Das ist sehr viel. Ich spreche mit vielen Personen. Wir besprechen, wie man helfen und unterstützen kann, wann der nächste Container mit Waren über den Seeweg kommt etc.

Könntest du uns einen Überblick über deine Tätigkeiten in Eritrea geben? Wie gestaltet sich ein typischer Tag in deinem Einsatz dort aus organisatorischer Sicht?

Ich wohne in einem recht alten Hotel und treffe mich morgens mit dem Team vor Ort zum Frühstück. Wir halten täglich eine Projektbesprechung ab. Der erste Weg führt danach zum sog. Biomedical Workshop. In diesem Gebäude sitzen Techniker, welche in den einzelnen Krankenhäusern in Asmara, der Hauptstadt von Eritrea, arbeiten. Jedes Krankenhaus hat einen Techniker, der sich um sämtliche Technikherausforderungen kümmert, angefangen vom Wasserrohr bis hin zum Beatmungs- und Narkosegerät. Vor Ort führe ich dann mit den Technikern eine Schulung an den Geräten durch. Dann gehe ich auf die Station, ähnlich wie ein Haustechniker, und schaue mir die medizintechnischen Geräte an. Anschließend beginnt die technische Arbeit. Es geht darum, Geräte zu reparieren. Zum Beispiel aus zwei Geräten eins zu machen. An einem anderen Tag lade ich einen Container mit Waren aus. Dafür sind viele Abstimmungen mit der Regierung und der Apotheke notwendig und kostet einen ganzen Tag. Meine Position als Projektleiter hat eine genaue Stellenbeschreibung und Definition, was an Projektarbeit zu leisten ist.

Gibt es im Vergleich zu dem Beginn deiner Tätigkeit in Eritrea positive Veränderungen?

Es gibt auf jeden Fall positive Veränderungen. Die Mutter-Kind-Klinik in Keren2 wurde fertiggestellt. Die Handwerker und Techniker aus dem interdisziplinären Team haben zehn Jahre lang daran gearbeitet. Das ist eine großartige Veränderung. Mütter kommen teilweise aus einer Entfernung von 100 km aus den Bergen, um dort zu gebären. Die Kindersterblichkeit konnte gesenkt werden. Dieser Erfolg ist immer eine Leistung des ganzen Teams. Mein Job ist ehrenamtlich und freiwillig. Aber irgendwann ist man „gefangen“ vor Ort. Wenn ich ein lebenserhaltendes Beatmungsgerät repariere mit dem Versuch, das Gerät wieder ans Laufen zu bringen und ein Kind aktuell daran hängt, was glücklicherweise funktioniert hat. Das Lächeln der Kinder, die kerngesund sind und zur Nachkontrolle nach ein bis zwei Jahren wiederkommen, das ist eine schöne Sache.

Gibt es bei deinem Aufenthalt in Eritrea Risiken oder Probleme, die besonders zu beachten sind? Welche Vorsichtsmaßnahmen oder speziellen Vorkehrungen triffst du?

Ja, es müssen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Keren liegt im Malariagebiet. Es sind Impfungen notwendig. Ich habe Kollegen mit Dengue-Fieber und ich selbst hatte eine Infektion mit Rotaviren während eines Einsatzes. Man muss sich darauf einstellen. In das Land selbst zu reisen, birgt Risiken. Eritrea ist eine Diktatur. Man muss sich anpassen, darf keine Fotos von Regierungsgebäuden anfertigen, man muss vorsichtig mit Worten sein und darf nicht regierungskritisch reden. Von der deutschen Regierung gibt es eine Reisewarnung für das Land. Im Land sind zur Hälfte Muslime und Christen, die friedlich zusammenleben. Die „Vorteile“ einer Diktatur sind die hohen Haftstrafen, die bei Vergehen drohen. Meine Freundin hat Angst um mich. Darum habe ich meine Reisen auf jeweils eine Woche reduziert. In dieser Woche haben wir null Kontakt; man weiß nicht, was los ist.

Du kommunizierst auf Englisch in deinem Projekt vor Ort. Wie gut funktioniert diese Sprachwahl in der Praxis und gab es besondere Herausforderungen?

Die Kommunikation in Englisch funktioniert sehr gut, weil vor Ort Schulpflicht besteht und die Menschen in der Schule Englisch lernen. In den mittlerweile zehn Einsätzen vor Ort lernt man die Sprache Tigrinya mehr und mehr. Zurzeit plane ich mehr als zwei Einsätze im Jahr und das wird auch nicht aufhören. Ich kann etwas bewegen vor Ort. Das treibt mich an. Man sieht den sofortigen Effekt! Natürlich gibt es technische Herausforderungen bei den ganzen verschiedenen Marken und Herstellern. Ich schreibe dann in unsere WhatsApp-Familiengruppe, um eine Antwort zu erhalten. Ansonsten heißt es „learning by doing“, sich auf verschiedene Geräte in Deutschland schulen lassen und Dokumentationen lesen.

Hast du eine besondere Geschichte oder Erfahrung mit den Menschen in Eritrea, die du mit uns teilen möchtest?

Beim Einsatz in Keren im März 2025: Dieses Baby, das ich hier in meinen Armen halte, wurde auf dramatische Weise von seiner Mutter in einem Graben zurückgelassen und mit Steinen beworfen. Es wurde von der Polizei entdeckt und gerettet. Dank der medizinischen Infrastruktur vor Ort und des geschulten eritreischen medizinischen Personals auf unserer Neonatologie-Intensivstation konnte dieses kleine Leben gerettet werden. Dieses Bild symbolisiert Hoffnung, Mitgefühl und die Kraft menschlicher Fürsorge, die das Unmögliche möglich macht.

“Die Kindersterblichkeit konnte gesenkt werden. Das Lächeln der Kinder, die kerngesund sind und zur Nachkontrolle wiederkommen, das ist eine schöne Sache.”

Was können wir denn von den Menschen in Eritrea lernen? 

Wir können sehr viel von Eritrea lernen. Der erste Punkt ist, mit wenig zufrieden zu sein. In einer Gemeinschaft, die seinesgleichen sucht in Bezug auf Freundlichkeit. Die Menschen hier geben das Letzte, das sie haben. Sie gehen mit vielen Situationen humorvoll um, obwohl das Leben für sie alles andere als einfach ist. Man braucht nicht das neueste iPhone oder sonst etwas. Sondern fragt sich, was kann ich noch abgeben, was braucht mein Nachbar? Es gibt hier eine andere Gesellschaftsstruktur – gerade von den Ärmsten der Armen kann man etwas lernen. Das erdet mich. 

Was wünschst du dir für die Zukunft? Hast du eine Vision? 

Ich erhoffe mir eine bessere politische Lage für Eritrea. Für unsere Projekte hoffe ich, dass sie fruchten. Ich möchte Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. Die Personen sollen vor Ort selbstständig in der Lage sein und fähig sein, sich selbst zu helfen und den Kindern. Das wird ein sehr langer Weg sein. 

Was möchtest du unseren Leserinnen und Lesern mitgeben? 

Ich möchte mitgeben, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten selbst Hilfe zu leisten. Dafür muss man nicht unbedingt ans andere Ende der Welt reisen, sondern man kann auch in Deutschland schauen und helfen. 

Wenn du auch mal Lust hast, so etwas zu machen, dann melde dich gerne bei Joos Krüger über inspiration@loewensteinmedical.com

Vielen Dank Joos